Gruppenbildung, Mitgliedschaftsrechte, rechtliche und tatsächliche (Un-) Gleichbehandlung, Sanierungsstörer
Mit Beschluss v. 6. Juni 2025, Az. 1501 RES 337/25, bestätigte das Amtsgericht München als Restrukturierungsgericht, § 34 Abs. 1 StaRUG, den umstrittenen Restrukturierungsplan zugunsten der BayWa AG, dem über 90% der mehr als 300 Finanzierungsgläubiger zugestimmt hatten. Das AG München beantwortet zahlreiche Fragen für das noch junge Instrument des Restrukturierungsplans, für den ähnliche Grundsätze wie im Insolvenzplanrecht gelten. Aus dem Beschluss ist hervorzuheben:
- Der Vorstand der AG ist auch ohne Zustimmung der Hauptversammlung berechtigt ein Restrukturierungsverfahren zu beantragen, jedenfalls, wenn die Insolvenz sonst unabwendbar ist (vgl. AG Nürnberg, Beschl. v. 21.6.2023, Az. RES 397/23; ähnlich OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.08.2024, Az. 20 U 30/24).
- Für die abstimmungstechnisch wichtige Gruppenbildung – die nicht zwingend ist, § 9 Abs. 1 StaRUG („soweit“) – gelten weite Zulässigkeitsgrenzen, solange die Gruppen sachgerecht abgegrenzt und die Gläubiger innerhalb der Gruppe rechtlich gleichbehandelt werden. Auf eine tatsächliche (Un-) Gleichbehandlung als Folge der rechtlichen Gleichbehandlung kommt es nicht an. Ein Missbrauch war offenbar nicht dargelegt.
- Es sind in allen Gruppen die erforderlichen ¾‑Mehrheiten zu erzielen, § 25 Abs.1 StaRUG. Allerdings kann die Zustimmung der Anteilseigner, die hier nicht gegeben war, ersetzt werden, §§ 26 Abs. 1, 27 Abs. 1 StaRUG, wenn keine Überkompensation anderer Gläubiger stattfindet. Die Mitgliedschafts‑, hier: Aktionärsrechte können auch im Restrukturierungsplan – wie im Insolvenzplan, § 225a Abs. 2 InsO – vollständig entzogen werden, § 7 Abs. 4 StaRUG.
- Als Alternativszenario zum Restrukturierungsplan kommt – bei entsprechender Darlegung – das (zerschlagende Regel-) Insolvenzverfahren in Betracht, nicht ein alternatives Restrukturierungs- oder Insolvenzplanszenario, das wohl auch nur hypothetisch und damit schwer darzulegen wäre. Die Anteilseigner gehen dann regelmäßig leer aus.
- Ein Widerspruch und Einwendungen wegen (Bewertungs-) Mängeln des Restrukturierungsplans sind im Erörterungs- und Abstimmungstermin geltend zu machen, § 63 Abs. 2 Satz 3 StaRUG. Ein späterer Widerspruch ist ausgeschlossen.
Besonderheiten ergaben sich hier daraus, dass Ansprüche aus einem freiwilligen Beitritt zu einer Sanierungsvereinbarung gewährt wurden, die unabhängig vom Restrukturierungsplan vereinbart worden war. Solche Ansprüche, die außerhalb des Plans gegeben werden, sind in die Beurteilung des Plans nicht einzubeziehen. Das Restrukturierungsverfahren kann also Sanierungsstörer wirksam ausgrenzen. Der Inhalt der Sanierungs- (Sonder-) Vereinbarung wurde in der veröffentlichten Entscheidung nicht mitgeteilt. Umgehungen und Missbräuche sind denkbar und ggfls. zu sanktionieren. Hier hatten alle Finanzierungsgläubiger immerhin ein gleiches Wahlrecht, der Sanierungsvereinbarung freiwillig beizutreten.
Schließlich: wenn die Schuldnerin ein öffentliches Restrukturierungsverfahren beantragt, § 84 Abs. 1 StaRUG – der Antrag ist für die internationale Anerkennung des Bestätigungsbeschlusses wichtig, vgl. Möhlenkamp, in: AGR, Insolvenzrecht, 5. Aufl., 2025, EuInsVO, Art. 52 Rz. 6 -, kann das Gericht den Beschluss veröffentlichen. Das AG München setzt sich zu Recht (vgl. Skauradszun/Böhning, NZI 2025, 577 ff.) über den engeren Wortlaut der §§ 84 Abs. 1, 85 Abs. 2 StaRUG hinweg („offensichtlich ein Versehen des Gesetzgebers“).