Bundeskabinett bringt Änderungen des Insolvenzrechts auf den Weg; Antragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit bleibt unverändert
Ein neues Gesetz zur Änderung des Insolvenzrechts soll die nachteiligen Effekte dämpfen, die sich aus der aktuellen Krise für zahlreiche Unternehmen ergeben. Ob das gelingt, ist offen (dazu unten B.). Drei wesentliche Punkte werden nach einer aktuellen Pressemitteilung des zuständigen Bundesjustizministeriums (BMJ) geändert:
A. Vorübergehende Änderungen der InsO
1. Der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung wird verkürzt
Die Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung nach § 15a InsO soll modifiziert werden. So soll der Prognosezeitraum für die sogenannte insolvenzrechtliche Fortführungsprognose von zwölf auf vier Monate herabgesetzt werden. Hierdurch werde die Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung nach § 15a InsO deutlich abgemildert. Die Regelung soll auch für Unternehmen gelten, bei denen bereits vor dem Inkrafttreten eine Überschuldung vorlag, der für eine rechtzeitige Insolvenzantragstellung maßgebliche Zeitpunkt aber noch nicht verstrichen ist.
Die Regelung soll bis zum 31. Dezember 2023 gelten. Wichtig sei jedoch, dass bereits ab dem 1. September 2023 der ursprüngliche Prognosezeitraum von 12 Monaten wieder relevant werden kann, wenn absehbar ist, dass auf Grundlage der ab dem 1. Januar 2024 wieder auf einen 12-monatigen Zeitraum zu beziehenden Prognose eine Überschuldung bestehen wird.
Die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit bleibt von der Regelung unberührt.
2. Die Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen werden verkürzt:
Die maßgeblichen Planungszeiträume für die Erstellung von Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen sollen bis zum 31. Dezember 2023 von sechs auf vier Monate verkürzt werden.
3. Die Höchstfrist für die Insolvenzantragstellung wegen Überschuldung wird erhöht:
Die Höchstfrist für die Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung soll bis zum 31. Dezember 2023 von derzeit sechs auf acht Wochen hochgesetzt werden. Insolvenzanträge sind jedoch weiterhin ohne schuldhaftes Zögern zu stellen (§ 15a Absatz 1 Satz 1 InsO). Die Höchstfrist darf nicht ausgeschöpft werden, wenn zu einem früheren Zeitpunkt feststeht, dass eine nachhaltige Beseitigung der Überschuldung nicht erwartet werden kann.
Die Höchstfrist zur Antragstellung wegen Zahlungsunfähigkeit bleibt hingegen unberührt.
B. Bewertung
Die Änderungen sind geeignet, Krisensymptome abzumildern, wenn die Vorschläge so die Gesetzgebungsorgane passieren. Die Unsicherheiten, die sich aus längeren Planungshorizonzten ergeben, werden durch die Verkürzung der Planungs- und Prognosezeiträume reduziert. Viele Unternehmen stehen aber nicht allein vor einem Planungs- oder Prognoseproblem. Ihnen droht eine echte Zahlungsfähigkeit, wenn die Kosten weiter steigen und die Umsätze weiter sinken. Die Insolvezantragspflicht aufgrund einer eingetrenenen Zahlungsunfähigkeit wird – ordnungspolitisch zu Recht – nicht verändert. Das bedeutet aber auch, dass sich für viele Unternehmen ein harter Schnitt über das Insolvenz- und Sanierungsrecht nicht vermeiden lässt.
Zu unscharf ist das Gesetz, als mit der Gießkanne auch solche Unternehmen bzw. Branchen von den Erleichterungen profitieren, die nicht in gleicher Weise von der Krise betroffen sind oder deren Geschäftsmodell erkennbar absehbar nicht mehr belastbar funktioniert.
Es bleiben zudem die Unsicherheiten, die sich daraus ergeben, dass auch im verkürzten Planungs- und Prognosezeitraum die Zahlungsfähigkeit überwiegend wahrscheinlich sein muss. Der Maßstab ist jenseits griffiger, aber kaum belastbarer Daumenregeln (“Wahrscheinlichkeit >50%”) nicht klar.