Recht, Sanierung

5. Oktober 2022

Dr. Andreas Möhlenkamp

Krisen­be­kämp­fung: Insol­venz­an­trags­pflicht wird erneut verkürzt

Bundes­ka­bi­nett bringt Ände­run­gen des Insol­venz­rechts auf den Weg; Antrags­pflicht wegen Zahlungs­un­fä­hig­keit bleibt unverändert

Ein neues Gesetz zur Ände­rung des Insol­venz­rechts soll die nach­tei­li­gen Effekte dämp­fen, die sich aus der aktu­el­len Krise für zahl­rei­che Unter­neh­men erge­ben. Ob das gelingt, ist offen (dazu unten B.). Drei wesent­li­che Punkte werden nach einer aktu­el­len Pres­se­mit­tei­lung des zustän­di­gen Bundes­jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums (BMJ) geändert:

A. Vorüber­ge­hende Ände­run­gen der InsO

1. Der Progno­se­zeit­raum für die Über­schul­dungs­prü­fung wird verkürzt

Die Insol­venz­an­trags­pflicht wegen Über­schul­dung nach § 15a InsO soll modi­fi­ziert werden. So soll der Progno­se­zeit­raum für die soge­nannte insol­venz­recht­li­che Fort­füh­rungs­pro­gnose von zwölf auf vier Monate herab­ge­setzt werden. Hier­durch werde die Insol­venz­an­trags­pflicht wegen Über­schul­dung nach § 15a InsO deut­lich abge­mil­dert. Die Rege­lung soll auch für Unter­neh­men gelten, bei denen bereits vor dem Inkraft­tre­ten eine Über­schul­dung vorlag, der für eine recht­zei­tige Insol­venz­an­trag­stel­lung maßgeb­li­che Zeit­punkt aber noch nicht verstri­chen ist.

Die Rege­lung soll bis zum 31. Dezem­ber 2023 gelten. Wich­tig sei jedoch, dass bereits ab dem 1. Septem­ber 2023 der ursprüng­li­che Progno­se­zeit­raum von 12 Mona­ten wieder rele­vant werden kann, wenn abseh­bar ist, dass auf Grund­lage der ab dem 1. Januar 2024 wieder auf einen 12-mona­ti­gen Zeit­raum zu bezie­hen­den Prognose eine Über­schul­dung bestehen wird.

Die Insol­venz­an­trags­pflicht wegen Zahlungs­un­fä­hig­keit bleibt von der Rege­lung unberührt.

2. Die Planungs­zeit­räume für Eigen­ver­wal­tungs- und Restruk­tu­rie­rungs­pla­nun­gen werden verkürzt:

Die maßgeb­li­chen Planungs­zeit­räume für die Erstel­lung von Eigen­ver­wal­tungs- und Restruk­tu­rie­rungs­pla­nun­gen sollen bis zum 31. Dezem­ber 2023 von sechs auf vier Monate verkürzt werden.

3. Die Höchst­frist für die Insol­venz­an­trag­stel­lung wegen Über­schul­dung wird erhöht:

Die Höchst­frist für die Stel­lung eines Insol­venz­an­trags wegen Über­schul­dung soll bis zum 31. Dezem­ber 2023 von derzeit sechs auf acht Wochen hoch­ge­setzt werden. Insol­venz­an­träge sind jedoch weiter­hin ohne schuld­haf­tes Zögern zu stel­len (§ 15a Absatz 1 Satz 1 InsO). Die Höchst­frist darf nicht ausge­schöpft werden, wenn zu einem frühe­ren Zeit­punkt fest­steht, dass eine nach­hal­tige Besei­ti­gung der Über­schul­dung nicht erwar­tet werden kann.

Die Höchst­frist zur Antrag­stel­lung wegen Zahlungs­un­fä­hig­keit bleibt hinge­gen unberührt.

B. Bewer­tung

Die Ände­run­gen sind geeig­net, Krisen­sym­ptome abzu­mil­dern, wenn die Vorschläge so die Gesetz­ge­bungs­or­gane passie­ren. Die Unsi­cher­hei­ten, die sich aus länge­ren Planungs­ho­ri­zon­z­ten erge­ben, werden durch die Verkür­zung der Planungs- und Progno­se­zeit­räume redu­ziert. Viele Unter­neh­men stehen aber nicht allein vor einem Planungs- oder Progno­se­pro­blem. Ihnen droht eine echte Zahlungs­fä­hig­keit, wenn die Kosten weiter stei­gen und die Umsätze weiter sinken. Die Insol­vez­an­trags­pflicht aufgrund einer einge­tre­ne­nen Zahlungs­un­fä­hig­keit wird – ordnungs­po­li­tisch zu Recht – nicht verän­dert. Das bedeu­tet aber auch, dass sich für viele Unter­neh­men ein harter Schnitt über das Insol­venz- und Sanie­rungs­recht nicht vermei­den lässt.

Zu unscharf ist das Gesetz, als mit der Gieß­kanne auch solche Unter­neh­men bzw. Bran­chen von den Erleich­te­run­gen profi­tie­ren, die nicht in glei­cher Weise von der Krise betrof­fen sind oder deren Geschäfts­mo­dell erkenn­bar abseh­bar nicht mehr belast­bar funktioniert.

Es blei­ben zudem die Unsi­cher­hei­ten, die sich daraus erge­ben, dass auch im verkürz­ten Planungs- und Progno­se­zeit­raum die Zahlungs­fä­hig­keit über­wie­gend wahr­schein­lich sein muss. Der Maßstab ist jenseits grif­fi­ger, aber kaum belast­ba­rer Daumen­re­geln (“Wahr­schein­lich­keit >50%”) nicht klar.