Recht

31. August 2021

Dr. Andreas Möhlenkamp

‘Weiche’ Patro­nats­er­klä­rung kann posi­tive Fort­füh­rungs­pro­gnose in der Regel nicht tragen

Zur Geschäfts­füh­rer­haf­tung in der Krise – Über­schul­dung und Planung gem. § 19 Abs. 2 InsO

Eine sog. „weiche Patro­nats­er­klä­rung“ führt regel­mä­ßig nicht dazu, dass eine Über­schul­dung abge­wen­det wird. Das hat der BGH in einem jünge­ren Urteil fest­ge­stellt (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2021, Az. II ZR 84/20, Rz. 65 ff.). Gem. § 19 Abs. 2 InsO ist ein Unter­neh­men nicht über­schul­det, wenn die Fort­füh­rung des Unter­neh­mens in den nächs­ten zwölf Mona­ten nach den Umstän­den über­wie­gend wahr­schein­lich ist (sog. „posi­tive Fort­füh­rungs­pro­gnose“). Nach der Recht­spre­chung des BGH setzt eine posi­tive Fort­füh­rungs­pro­gnose in subjek­ti­ver Hinsicht den Fort­füh­rungs­wil­len des Schuld­ners bzw. seiner Organe und in objek­ti­ver Hinsicht die sich aus einem aussa­ge­kräf­ti­gen Unter­neh­mens­kon­zept herzu­lei­tende Lebens­fä­hig­keit des Unter­neh­mens voraus. Dem schlüs­si­gen und reali­sier­ba­ren Unter­neh­mens­kon­zept muss grund­sätz­lich ein Ertrags- und Finanz­plan zugrunde liegen, der für einen ange­mes­se­nen Progno­se­zeit­raum aufzu­stel­len ist. Eine Fort­füh­rungs­pro­gnose ist im Kern eine auf realis­ti­schen Annah­men beru­hende Zahlungs­fä­hig­keits­pro­gnose für das kommende Jahr, die regel­mä­ßig zu über­wa­chen ist.

Patro­nats­er­klä­run­gen sind grund­sätz­lich geeig­net, die Liqui­di­tät eines Unter­neh­mens zu sichern. Zu unter­schei­den ist aber zwischen „harten“ und „weichen“ Patro­nats­er­klä­run­gen. „Weiche“ Patro­nats­er­klä­run­gen, mit denen der Patron ledig­lich über die Zahlungs­fä­hig­keit einer Toch­ter­ge­sell­schaft infor­miert und bei denen es sich allen­falls um mora­lisch verpflich­tende Good­will-Erklä­run­gen handelt (in der Praxis auch als „Comfort Letter“ bezeich­net), haben keinen rechts­ge­schäft­li­chen Charak­ter und begrün­den damit keine irgend­wie gear­tete Verbind­lich­keit des Patrons (vgl. BGH, Urt. v. 19.5.2011, Az. IX ZR 9/10, Rz. 22). „Comfort Letter“ können darum für sich genom­men eine Insol­venz­an­trags­pflicht nicht abwen­den. Eine „harte Patro­nats­er­klä­rung“ liegt dage­gen vor, wenn sich der Patron gegen­über einer Toch­ter­ge­sell­schaft oder gegen­über einem Drit­ten rechts­ver­bind­lich verpflich­tet, die Toch­ter­ge­sell­schaft in der Weise auszu­stat­ten, dass sie stets in der Lage ist, ihren finan­zi­el­len Verbind­lich­kei­ten zu genü­gen. Eine harte Patro­nats­er­klä­rung begrün­det also im Gegen­satz zur weichen Patro­nats­er­klä­rung eine rechts­ge­schäft­li­che und akti­vier­bare Einstands­pflicht des Patrons gegen­über dem Adres­sa­ten der Erklä­rung, vgl. BGH, Urt. v. 30.1.1992, Az. IX ZR 112/91 = BGHZ 117, 127, 132 ff..

Aller­dings blei­ben auch „weiche Patro­nats­er­klä­run­gen“ oder „Comfort Letter“ in der Krise nicht unbe­rück­sich­tigt. Die Geschäfts­füh­rung hat aus der maßgeb­li­chen ex-ante-Sicht einen Beur­tei­lungs­spiel­raum, ob die Zahlungs­fä­hig­keit in der Zukunft über­wie­gend wahr­schein­lich ist oder nicht. Entschei­dend für die posi­tive Fort­füh­rungs­pro­gnose ist, ob das Unter­neh­men mit den zuge­sag­ten Sanie­rungs­bei­trä­gen Drit­ter insge­samt mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit rech­nen kann. Dazu ist ein Rechts­an­spruch nicht erfor­der­lich. Aller­dings sind die Gren­zen der freien Beur­tei­lung sehr eng. Der BGH lässt nur ganz ausnahms­weise zu, dass ein Geschäfts­füh­rer die Zahlungs­fä­hig­keits­pro­gnose auf eine weiche Patro­nats­er­klä­rung stüt­zen darf, etwa, „weil der Patron mit der Ausstat­tung der Gesell­schaft ganz über­wie­gend keine Gewinn­erzie­lung anstrebt und aus über­ge­ord­ne­ten Grün­den zur Über­nahme von Verlus­ten bereit bzw. etwa im Bereich der Daseins­vor­sorge verpflich­tet ist“, vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2021, Az. II ZR 84/20, Rz. 82.